MIAMI calling! Oder wie unflexibel ist denn unser (Stephan und meines) mindset?
„Maaamaaa, stell dir vor was ich für eine Möglichkeit habe. Die Turnierleitung in Miami bietet mir eine WC für die Quali an!!!“, trällerte Lilli am Donnerstag Abend (13. März), 18.30 Uhr, von Valencia aus durch das Telefon.

Fragen über Fragen von uns „alten“ Taggers – man konnte richtig spüren, dass am anderen Ende der Leitung der Entschluss eigentlich schon gefasst war, alles umzukrempeln und sich aufzumachen in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und diese Chance, einfach ohne wenn und aber, zu nutzen.
Soviel zum flexiblen, spontanen Geist unserer Lilli – in ihrem Leben extrem wichtig – die einfach gar nichts kompliziert gesehen hat, sondern nur ganz klar war: das will ich machen!!
In ihrer „Lehrmeisterin“ Francesca hat sie darin auch sofort Bestätigung gefunden, „decidi tu come vuoi, secondo me andiamo!“ … „entscheide du Lilli, meiner Meinung nach fahren wir!“
Stephan und ich sind dann noch ein paar Schritte weiter spaziert und gegenseitig haben wir Argumente gebracht und alles sehr rational bewertet: extreme Wertschätzung für Lilli, toll, hätte Lilli das doch nur früher erfahren. ABER: die Zeitverschiebung, die Hitze, jetzt von Sand kommend ganz kurzfristig auf Hartplatz, riesen Aufwand, auf den Flugplätzen lauert auch immer eine Infektionsgefahr, Lilli hatte eh gerade in Spanien eine Verkühlung und dann meinte er: „Meinst du soll ich Lilli noch einmal anrufen und ihr sagen, dass sie jetzt vielleicht nicht ruck zuck eine Bauchentscheidung treffen sollte?“
Wie das ausgegangen ist brauche ich nicht zu erwähnen, Stephan tätigte das Telefonat und hat versucht Lilli vorsichtig unsere Gedanken darzulegen. Er legte auf und meinte: „ Auweia, die werden fahren.“
Weitere 15 Minuten später auf unserem Spaziergang und 100e, sich wie in einem Karussell drehenden Gedanken für JA oder NEIN, wandte ich mich an Stephan. „Findest du eigentlich nicht, dass hier leider etwas „altbackene“, in ihren täglich gleichen, sicheren Strukturen lebende Eltern durchkommen (obwohl wir das ganz bestimmt eh nicht sind;-) ). Wir wissen genau was morgen passiert, alles geplant, nichts Neues. Und jetzt haben wir hier Lilli. Ihr Leben ist ganz anders, Flexibilität, Spontanität, Veränderungen nicht kompliziert zu machen und eben sehr wohl manchmal Bauchentscheidungen zu treffen – sind Eigenschaften, die sie braucht und sich auch unbedingt behalten muss.“
Stephan drehte sich zu mir und antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Du hast ganz genau recht, eigentlich so ein Schwachsinn von uns. Kannst du Lilli bitte anrufen und ihr sagen, wir sind echt stolz auf sie und sie soll das mit ihrem Team besprechen, die Chance nutzen und wir stehen absolut hinter der Entscheidung.“ Und wer Stephan kennt weiß, so ganz leicht sich einzugestehen, dass unsere Reaktion möglicherweise ein „Topfen“ war, fällt es ihm nicht. Aber, wir sind ja noch jung, entwickeln uns weiter und lernen dazu…..
Diese Erfahrung als Spielerin bei ihrem ersten WTA 1000er Turnier und wie sich so ein großes Event mit allen Seitengeräuschen anfühlt, kann Lilli niemand nehmen. Und das trägt ungemein zu ihrer Entwicklung bei.
Innerhalb von einer Stunde wurde der ursprüngliche Plan umgestürzt, Hotel und Turnier in Sabadell gecancelt, Flug über Amsterdam nach Miami gebucht – exakt 10 Stunden später, nämlich Freitag 6.00 Uhr morgens, hob der erste Flieger Richtung Amsterdam ab.
Ankunft Freitag 16.00 Uhr in Miami, Turniermatch Sonntag 11.00 Uhr. Noch Fragen? Nein, Sie befinden sich hier nicht in einem Zeitraffer, alles so passiert, entschlossen, kompakt und schnell. Zeit zum Akklimatisieren kaum, aber egal. Freude und Wille machen die Umstellungsstrapazen wett.


Training mit Mayar Sherif, Tyra Grant, Alexandra Eala und dann ging’s ins Match gegen die Nummer 91 der Welt, Sara Sorribes Tormo. Auch wenn das Match nach 2h 30min mit 7:6 1:6 und 1:6 verloren ging, lieferte Lilli phasenweise ein Match auf Augenhöhe und hat die Spanierin mit ihrem aktiven, variantenreichen und gestaltenden Spiel ungemein gefordert. Standortbestimmung mehr als gelungen!



Francesca schrieb: „Lilli cresce é diventerá fortissima!“ „Lilli entwickelt sich und sie wird
ungemein stark werden!“
Nach weiteren 1,5 Tagen Training in Miami wieder Francesca: „Torniamo in Spagna. Siamo in un frullatore.“ „Wir kehren nach Spanien zurück. Wir sind in einem Mixer – einmal hin- und
hergeschleudert!“
- März 14.00 Flughafen Barcelona
„Mama, wir sind aus unserem frullatore ausgestiegen, melde mich aus dem Hotel!“